Gleiche Chancen für alle?
Ein Abiturient und eine Abiturientin werden nach ihrem Studienwunsch gefragt. Beide antworten, dass sie Physik oder eine Ingenieurswissenschaft studieren möchten. Was würden eure Eltern, Großeltern oder Verwandten und Freunde auf diesen Studienwunsch antworten?
Bei Abiturienten ist es deutlich wahrscheinlicher, dass dieser Studienwunsch positiv kommentiert wird. Es wird davon ausgegangen, dass diese Wahl schon richtig sein wird. Natürlich macht es Sinn, dass er Physiker/Ingenieur wird. Doch bei Abiturientinnen ist dies etwas anders. Für die Fragenden ist der Studienwunsch häufiger unüblich/überraschend, denn diese Studienfächer waren historisch Männerdomänen. Die Wahrscheinlichkeit ist also für eine Abiturientin höher, dass eine Rückfrage à la "Bist du dir da sicher?" kommt. Auch wenn der/die Fragende dies vielleicht nicht so meint, ist so eine Rückfrage erstmal kein positives Feedback.
Doch was hat das mit Chancengleichheit zu tun? Wir glauben bzw. wir hoffen doch stark, dass inzwischen niemand mehr ernsthaft glaubt, dass es Studienfächer gibt, die für Frauen (oder Männer) nicht geeignet sind. Auch die Voraussetzungen fürs Studium sind gleich (Abitur). Trotzdem sind die Chancen nicht gleich, denn Männer werden eher in einem technischen Studienwunsch bestärkt als Frauen. Folglich kann es kaum verwundern, dass Frauen seltener ein technisches Studienfach wählen. Die Entscheidung fällt ihnen schwerer bzw. es ist für sie schwerer, bei dieser Entscheidung zu bleiben.
Es sind häufig kleine unbewusste Barrieren, die am Ende dafür verantwortlich sind, dass die Chancen nicht gleich sind. Man könnte jetzt natürlich behaupten, dass es doch nicht schlimm ist, wenn der Anteil nicht 50/50 ist. Es wird doch niemand aktiv am Studium gehindert. Frauen haben die freie Studienwahl, so wie Männer. Aber wir (die Gesellschaft) brauchen die Frauen in den technischen Studienfächern. Die Wirtschaft braucht seit Jahrzenten mehr Physiker*innen und Ingenieur*innen, als die Hochschulen liefern können. Es geht also im Kern darum, die Zahl der Absolvent*innen isagesamt zu erhöhen.
Doch wie kann man dieses Ziel erreichen? Unsere Idee ist, dass dies nur funktionieren kann, wenn man versucht, diese kleinen Hindernisse auf dem Karriereweg der Frauen zu kompensieren. Eine Abiturientin, die davon überzeugt ist, dass ein naturwissenschaftliches oder technisches Studienfach für sie richtig ist, wird sich durch eine kritische Rückfrage nicht so leicht davon abbringen lassen. Darum möchten wir dass Schülerinnen der Oberstufe diese Studienfächer kennenlernen und aktiv erfahren, dass sie zu ihren Interessen passen.
Mit den PPT verfolgen wir genau dieses Ziel. Schülerinnen lernen die in einer angenehmen Workshopatmosphäre die Universität kennen, bekommen direkten Kontakt zu Forscher*innen und deren Arbeitswelt, können ihre eigenen Talente ohne Konkurrenz oder Leistungsdruck erproben und lernen ganz viele andere Frauen kennen, die ihr Interesse für Physik und Technik teilen. Gerade letzteres ist enorm wichtig, um Ängste vor einem technischen Studium abzubauen. Wir möchten sie so in einer Wahl eines naturwissenschaftlichen oder technischen Studienfachs bestärken.
Aber ist es nicht unfair, dass Schüler dieses Angebot nicht bekommen? Warum dürfen sie nicht an den PPT teilnehmen? Eine Antwort ist, dass die PPT aus Mitteln finanziert werden, die ausschließlich für Gleichstellungsmaßnahmen verwendet werden dürfen. Dass solche Mittel notwendig sind finden nicht nur wir, sondern die CAU insgesamt und viele andere Organisationen (z.B. die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutschen Physikalischen Gesellschaft). Für die Schülerinnen ist es zudem wichtig, einmal ohne Konkurrenz etwas ausprobieren zu können und Kontakte zu anderen mit gleichen Interessen zu knüpfen. Dass klingt zwar unfair für Schüler, ist es aber nicht, denn es gibt zahlreiche andere sehr ähnliche Angebote, die für alle offen sind. An der CAU gibt es z.B. Saturday Morning Physics, die Physik-Olympiade, Jugend forscht und Angebote für Miniforschung und Praktika.